Ein Spaziergang an der englischen Nordsee

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Ich muss gestehen, dass ich ein Faible für viktorianische Architektur habe. Sie ist zwar sehr massiv und relativ schnörkellos (aber dafür dauerhaft), übt aber trotzdem eine Faszination auf mich aus.

Während meines Aufenthaltes in meiner Heimat im vergangenen Sommer beschloss ich ein paar Tage an der Yorkshire Nordseeküste zu verbringen, da fiel meine Wahl auf Scarborough. Dieses unter den Engländern immer noch populäre Seebad hat seine Blütezeit Ende des neunzehnten Jahrhundert erlebt und gilt heute als ein wenig heruntergekommen. Diese Aussage mag schon zutreffen, macht aber ein Teil der Charme dieser Stadt aus.

Meine Wahl aber fiel wegen eines anderen Grundes auf Scarborough. Dort ist nämlich meine geheimnisvolle Großmutter geboren, die sich 25 Jahre vor meiner Geburt von meinem Großvater scheiden ließ und danach auf nimmer wiedersehen verschwand.

Die Stadt Scarborough besteht aus zwei Buchten mit einem feinen Sandstrand, diese sind durch einem Felshügel (das Headland) voneinander getrennt, auf dem die Ruinen von Scarborough Castle stehen. An der Nordbucht stehen viele Hotels und Pensionen, ist ansonsten kommerziell nicht so ausgebaut. An der Südbucht hingegen spielt sich das ganze Vergnügen ab. Am nördlichsten Teil des Südbuchtes, unterhalb des Headland, befindet sich ein kleiner Hafen mit viel Gastronomie. Weiter südlich befinden sich einige Vergnügungshallen und dem alles überragende „Grand Hotel“.

Wir waren in einem alten viktorianischen Hotel an der Nordbucht untergebracht. Da sich unsere Recherchen allerdings mehr im Bereich der Südbucht stattgefunden haben, bedeutete dies täglich lange Spaziergänge dahin und zurück. Die schönste Route, aber auch sicherlich die längste, ist die Küste oben entlang, wo man, wenn man nicht die Abkürzung in die Stadt nimmt, schließlich an den alten Schloss gelingt. Ein Rundgang ist dann natürlich Pflicht, und obwohl nicht mehr allzu viel davon über geblieben ist, außer den Bergfried und einiges an Gemäuer, ist der Eintritt von umgerechnet ca. 8 Euro nicht zu teuer.

Der Schloss wurde ursprünglich im 12. Jahrhundert gebaut als Schutz für den Hafen Scarboroughs gegen Invasoren aus Schottland oder dem europäischen Festland. Während des englischen Bürgerkrieges wurde er 1645 fünf Monate lang belagert und weitgehend zerstört. (Mehr bei Wikipedia)

Vom Schloss aus hat man natürlich einen hervorragenden Blick auf die Umgebung, besonders auf den kleinen alten Hafen am Rande der Südbucht.

Auf der anderen Seite geht man den Hügel herunter an der alten, anglikanischen Kirche „St. Marys“ an der Castle Road vorbei. Diese Kirche geht zum 12. Jahrhundert zurück, wurde aber ebenfalls während der Belagerung des Schlosses während des englischen Bürgerkrieges zum Großteil zerstört. Wieder aufgebaut wurde sie Ende des 17. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts nochmal restauriert. St. Marys hat einen ausgedehnten Annes GraveFriedhof mit vielen alten Gräbern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Am bekanntesten davon ist sicherlich der Grab von Schriftstellerin Anne Bronte (Die Herrin von Wildfell Hall), die hier in 1849 an Tuberkulose gestorben ist. Der Grabstein wurde von ihrer Schwester Charlotte (Jane Eyre) in Auftrag gegeben.

Bemerkenswert an diesen Grab ist die Tatsache, dass geschrieben wurde, dass sie mit 28 Jahre gestorben wäre, wo sie in der Tat 29 Jahre alt war.

Etwas weiter die Straße herunter, da sind wir an unserem eigentlichen Ziel gelangt, den Geburtsort meiner Großmutter.

tramWenn man da allerdings links in die Queens Street abbiegt und ein Weile zu Fuß geht, kommt man schließlich an das Grand Hotel, das oben auf einer Klippe steht und über die Südbucht herrscht. An jeder Seite des Hotels befindet sich eine alte viktorianische, aber voll funktionsfähige Kettenbahn, die einen die 50 Meter hinunter zum Strand und wieder hinauf (was sehr angenehm ist, und mit 80 Pence allemal wert) bringt.

An der Promenade gibt es natürlich viele Vergnügungshallen, was für englische Seebäder typisch ist, aber auch viele Geschäfte mit allerlei Schnick-Schnack und Souvenirs.

Von dort aus ist es ein Katzensprung an der Promenade zum kleinen Hafen, wo sich die meisten gastronomischen befinden. Zurück an die Nordbucht fährt man dann mit dem Bus um den Headland herum.

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